Belletristik
ICH BIN DIE ICH BIN (Roman) 2022. Gabriele Vasak, Wien. Bestellbar unter info@gabriele-vasak.at
Meine Krankheit ist unheilbar. Über das genaue Wesen meines Leidens ist nicht viel bekannt. Das, was die Ärzte darüber sagen, halte ich geheim, denn ich bin überzeugt davon, dass ich im Spiel des Lebens nicht gewinnen könnte, wenn ich mich als krank deklarierte. Alles Wissen, was den Umgang mit meiner Krankheit betrifft, habe ich selbst aus Erfahrung erworben, und was ich am sichersten weiß, ist, dass sie mich zuverlässig begleitet und die Bedingungen meines Lebens bestimmt.
WIR, TÖCHTER DER KÖNIGIN DER NACHT (Texte und Bilder) 2020. Gabriele Vasak, Wien. Bestellbar unter info@gabriele-vasak.at
Sonne, hoch im Äther
Sah eine Maid die Sonne steh´n
Sonne, hoch im Äther
War so heiß und wunderschön
Sah sie auf, um klar zu seh´n
Erkannte einen Täter.
Sonne, Sonne, Sonne hoch
Sonne, hoch im Äther.
Mädchen sprach: Ich fürchte dich
Sonne, hoch im Äther
Sonne sprach: Ich brenne dich
Dass du immer spürest mich
Jetzt und immer, später.
Sonne, Sonne, Sonne hoch
Sonne, hoch im Äther.
Und das junge Mädchen floh
Sonne, hoch im Äther
Sonne lachte hart und roh
Mädchen weinte sowieso
erinnerte die Väter.
Sonne, Sonne, Sonne hoch
Sonne, hoch im Äther.
DEN DRITTEN DAS BROT (Roman). Septime 2016.
Die Nacht war sternenlos, der Knall gegen die Stoßstange dumpf, die Blutspritzer auf der Windschutzscheibe spärlich, ein Hundeleben in Serbien ist schnell zu Ende, ein Menschenleben auch. War es zumindest vor siebzig Jahren, als ihre Urgroßmutter im Alter von achtundfünfzig Jahren in einem serbischen Internierungslager starb wie eine kranke Fliege – verhungert und liegengelassen im Dreck, dann weggeräumt und verscharrt in einem Massengrab, dachte Klara, als sie die unbedeutende Irritation des Fahrens wahrnahm. Alles in Ordnung, Mama?, fragte sie schnell, doch sie überlegte keinen Moment lang stehenzubleiben, ihre Mutter und sie allein unterwegs in dieser pechschwarzen Nacht in einem Land, das sie bisher nur von deren Erzählungen und aus Zeitungsberichten über die Jugoslawienkriege kannte, ein Land, das ihr fremd war und dem sie sich trotzdem verbunden fühlte, zumindest seit jener Zeit, da die Mutter zu sprechen begonnen hatte, Jahrzehnte, nachdem alles passiert war, erst, nachdem der Brief gekommen war…
DUNKELWEIß – ÜBER DIE VERMEINTLICHE LIEBE (Lyrik). Bibliothek der Provinz 2012.
Du
Bemerkenswerter Irrer
Lass mich meinen Rausch
Dir an den Himmelsrand bringen
Zu dem violetten Abendrot vor meinem Fenster
Wenn du mir keine Blumen schenkst
SOWIESO ALLEIN (Jugendroman) Ueberreuter 2009
Mit Klara ist es nicht mehr so wie es war, sie hat alles kaputt gemacht, und das einzige, was mir bleibt, ist die Musik von Kurt, ich liebe die Stimme, mit der er seine Sachen herausschreit, die Welt ist Scheiße, und wir sind es auch. Scheiße war alles schon, als ich Klara kennenlernte, ich meine, ich war auch damals nicht glücklich, genauso wenig wie sie, aber irgendwie hat immerhin zwischen uns vom ersten Moment an, als ich wir uns begegneten, alles gepasst…
DIE MUSE BIN ICH (Roman). Bibliothek der Provinz 2006.
Er kam dann im September. So wie sie vorausgesehen hatte, begegnete sie ihm mit aller Freundlichkeit und gefährlicher Offenheit, es dauerte also nicht lange bis sie wieder seine Geliebte und Muse wurde, in den paar Tagen, die er blieb, und zu ihrem Erstaunen blieb diese Stimmung auch in allen diesem Wiedersehen folgenden Briefen erhalten: Sie war seine Schöne und Liebe, seine sanfte Taube und seine wilde Geliebte, vor allem aber schrieb er von seiner Arbeit, schickte ihr Brief um Brief, in denen er auf das genaueste von seinem Tagesablauf berichtete, sie teilhaben ließ an den kleinsten Details der Fragen, mit denen er sich quälte….
MAUERSEGELN (Roman) Milena 1998.
Sie hatte lange nach Arbeit gesucht.
Zu Beginn war sie wählerisch gewesen. Sie hatte sich interessante Firmen aus dem Telefonbuch herausgesucht, hatte sich Zeit genommen für die Bewerbungsschreiben, hatte Zeugnisse kopiert, einen perfekten Lebenslauf verfaßt, genauso wie es in den Handbüchern für Arbeitssuchende beschrieben war.
Meistens hatte sie keine Antwort bekommen, selten eine höflich formulierte Absage: Derzeit kein Bedarf, man werde sie aber in Evidenz halten.
Nach einigen Wochen hatte sie einen Anruf erhalten: Man lade sie zu einem Vorstellungsgespräch ein. An einem Montagmorgen war sie früh aufgestanden, hatte ihr schönstes Kleid angezogen, sich zwei Stunden auf das Gespräch vorbereitet, alle möglichen Fragen im Geist durchgespielt. Sie war nervös, aber voller Hoffnung gewesen, sicher, daß sie überzeugen würde…
Sachbuch
VERWEHTE ERINNERUNG. (gemeinsam mit Hemma Unterluggauer), Molden Wien 2013.
Schlafen, schlafen, nur einmal wieder richtig schlafen, dachte sie, nur ein einziges Mal wenigstens fünf Stunden am Stück schlafen.
Sein Rhythmus war vollständig durcheinander gekommen, seit Monaten wachschlief er für sie undurchschaubar, dass er tagsüber schlief und nachts wachte, das war zu Beginn gewesen, daran hatte sie sich gewöhnt, sie hatte ihren Rhythmus dem seinen angepasst, die notwendigen Einkäufe in der fernen Welt draußen noch in Ruhe erledigen können, ohne dass zu Hause die Badewanne überlief, der Gasherd stundenlang brannte oder er ihre Pantoffeln in den Müll warf. Aber dann hatte es begonnen, dass er tags und nachts schlief, schon nach eineinhalb Stunden wieder wach war, aufstand, herumwerkelte, davonlief, mit der Polizei wieder nach Hause gebracht werden musste, wenn sie nicht um drei Uhr nachts mit ihm aufstand und ihn bewachte wie ein Polizist, aber für ihn tat sie es gern…
STURZFLIEGEN. (gemeinsam mit Heinz Katschnig) Rüffer&Rub Zürich 2001.
Simon versank in die Farbe des Wassers, dachte an den Sommer vor zwei Jahren, als Blau in ihm explodiert und er glücklich gewesen war. Mehr als das. Ähnlich unerdenhaft glücklich wie jetzt Ines, der die Schönheit ihrer Welt in rosenrot manchmal so zusetzte, dass sie sie in ihren Tränen zu ertränken müssen glaubte. Unbegreifbar schön hatte auch seine Welt sein können. Schlaflos vor Lebensfreude war er gewesen, die Welt war bunt und hell gewesen, nichts hatte er gefürchtet, alles hatte sich ihm wie selbstverständlich eröffnet, von luftig-leichten Gedanken war er getragen gewesen, und jede Logik und jedes Denksystem war ihm möglich und offen gewesen. Mit schmerzhafter Genauigkeit erinnerte er sich daran, welche Glücksgefühle das Blau des Himmels in ihm ausgelöst hatten, und wie er mit einem Mal von Blau beherrscht gewesen war…